Hundehandel immer dreister

Das miese Geschäft mit den Welpen boomt

„Nehmen Sie zwei und zahlen Sie pro Welpe die Hälfte!“ – Die junge Frau, die gerade zwei Yorkshire-Terrier-Welpen auf dem Arm hält, kommt ins Grübeln. Warum nicht ... So süß und dann auch noch so günstig. An einem anderen Verkaufsstand prangt ein Schild: „Alle Welpen mit Originalpapieren“ – Original? Nur von welchem Verband?

Es riecht streng hier in dieser Verkaufshalle in Zentralfrankreich. Der Welpensalon, der seit Tagen überall mit Plakaten beworben wird, hat zahlreiche unbedarfte Familien aus der Umgebung angelockt. Sie wollen Welpen anschauen. Vielleicht sogar einen kaufen. Es gibt so viele zur Auswahl, und man kann sie gleich unter den Arm klemmen und mitnehmen. Ein Vergnügen für Kind & Kegel. Nur nicht für diese armen Kreaturen, die hier zu Hunderten in den Käfigen hocken. Shar Peis, Chihuahuas, Bordeauxdoggen, Kaukasische Owtscharka, Malinois, Berner Sennenhunde, Französische Bulldoggen, Jagdhunde ... Welpen verschiedenster Rassen sind hier zu sehen, angepriesen wie Massenware auf einem Wühltisch.

Unerträglicher Geruch

Darauf angesprochen, reagieren die vermeintlichen Züchter empört. Die Welpen seien aus bestem Hause, liebevoll großgezogen und außerdem schon zwölf Wochen alt. Fakt ist: Viele sind erst sieben oder acht Wochen alt. Manche haben verklebte Augen und Nasen. Die meisten sind hundemüde oder kauern lethargisch in Ecken. Der Geruch, der von den kleinen Körpern ausgeht, ist – trotz sauberer Papier- Einstreu in den Käfigen – unerträglich. Er muss sich dort, wo die Welpen herstammen, tief in ihrem Fell festgesetzt haben.

Draußen vor der Verkaufshalle stehen rund 20 weiße Lieferwagen. Ein Blick auf die Nummernschilder zeigt, sie stammen überwiegend aus Frankreich und Belgien. Nach kleinen, liebevollen Züchterhaushalten sieht das nicht aus. In Käfigen werden pro Wagen bis zu 25 Hunde unterschiedlichster Rassen herumgekarrt. Kein Einzelfall.

Viele kranke Welpen

Der Welpenhandel in Europa boomt. Nicht der seriöser Züchter, sondern der übler Geschäftemacher. LKW-weise karren Händler aus Osteuropa Welpen über die Grenzen. Die Tiere stammen von Vermehrungsfarmen in Ungarn, Polen, Slowenien und Rumänien. Die Käufer leben in Deutschland, Holland, Belgien, Frankreich, Spanien und Italien. Doch Freude bereiten die Welpen nur selten. Viele der Hunde sind krank, mit falschen Papieren ausgestattet und verhaltensgestört. Wie schlimm die Folgen des üblen Welpenhandels in Europa wirklich sind, dokumentiert eine aktuelle Studie der gemeinnützigen Privatstiftung VIER PFOTEN.

Professioneller Handel

Laut Studie professionalisiert sich der Handel mit Rassehundwelpen seit rund fünf Jahren zunehmend. Zu verlockend ist dieses Geschäft, das „ein leichtes Spiel mit enormem Gewinn“ ist. Folglich haben Händler keine Skrupel, Welpen mit Medikamenten zu dopen, in LKW zu packen und quer durch Europa zu karren. Ausnahmen? Von wegen. VIER PFOTEN spricht sogar von einem industriellen Ausmaß und fordert striktere Gesetze, um endlich rechtlich gegen miese Hundehändler und mit ihnen verbündete Tierärzte vorgehen zu können.

Internationale Handelsverbindungen

Vor einem Jahr beauftragte VIER PFOTEN einen Ermittler, der tief eindrang in die Machenschaften europäischer Hundehändler. Es folgten acht Monate Ermittlung an 50 verschiedenen Orten, die eine Rolle spielen innerhalb des europäischen Netzwerks des Welpenhandels. Der Ermittler stieß auf 30 internationale Handelsverbindungen.

Das Gros der bemitleidenswerten Welpen stammt aus der Tschechischen Republik, Ungarn, Polen, Rumänien und der Slowakei. Dort herrschen niedrige Preise, und fehlende Gesetze beflügeln zusätzlich das Geschäft mit den Rassehunden. Zum Vergleich: Ein Welpe mit Papieren des österreichischen Hundeverbands ÖKV kostet durchschnittlich 1.200 Euro. Ein VDH-Welpe ist für durchschnittlich 1.000 Euro zu haben. Der ungarische Markt gibt Rassehunde für unter 200 Euro her.

Korrupte Tierärzte

Der Rest ist ein Rechenexempel. Ab einer Anzahl von 20 bis 25 Welpen lohnt sich der Transport für alle Beteiligten. Rund das Vierfache des eingesetzten Geldes springt hinterher als Gewinn heraus. Die Abwicklung des üblen Geschäfts ist denkbar einfach: Ein Händler kooperiert mit verschiedenen Vermehrern oder vermehrt sogar selbst. Sobald er einen Auftrag hat, stellt er die Welpen zusammen, um sie dann von einem Tierarzt mit falschen Papieren, EUAusweisen und einem Mikrochip versehen zu lassen. Dann geht es hinauf auf den LKW und auf die große Tour. Die endet laut VIER PFOTEN übrigens oft in den Niederlanden, die eine zentrale Rolle als Transitland einnehmen. Eine Tatsache, die – mit Deutschland und Belgien verglichen – in den schwachen niederländischen Gesetzen gegen Hundehandel wurzelt. In Holland werden die osteuropäischen Chips entfernt und durch niederländische ersetzt, was offensichtlich die Verkaufschancen verbessert. Der Vertrieb der Welpen erfolgt dann wiederum oft über belgische Internetseiten.

Massenzuchtanstalten

Rumänien gilt als Transitland zwischen Ungarn und Italien. VIER PFOTEN fand heraus, dass in rumänischen Zoogeschäften Welpen angeboten werden, die von ungarischen Vermehrungsfarmen stammen. Viele der Welpen sind zu jung für den Verkauf und darüber hinaus krank. Würmer, andere Parasiten, Entzündungen, Staupe und Parvovirose sind an der Tagesordnung. VIER PFOTEN geht davon aus, dass 15 Prozent der durch Europa transportierten Welpen keine gültigen Papiere haben. 52 Prozent von ihnen sind krank. Einer von fünf Welpen verstirbt laut einer Studie des britischen Kennel Clubs den VIER PFOTEN zitiert, noch vor dem sechsten Lebensmonat. Hinzu kommt das erhöhte Tollwutrisiko. Eine tödliche, auch für den Menschen lebensgefährliche Krankheit, die in Westeuropa momentan als ausgerottet gilt. Momentan, denn durch die Ostimporte droht sie wieder aufzuflackern. VIER PFOTEN verweist auf zwei tollwutkranke Welpen, die illegal in die Niederlande importiert wurden. Nicht nur um diese Gefahr einzudämmen, kooperiert der Verein mit ebay Kleinanzeigen und warnt dort auf Hundeverkaufsseiten ausdrücklich vor den Risiken des illegalen Hundehandels. Der VDH hat eine entsprechende Vereinbarung mit Deine Tierwelt geschlossen. Damit unterstützen die beiden größten Internet-Verkaufsportale die Kampagne gegen den Welpenhandel.

100.000 Welpen pro Jahr

Doch das reicht nicht. Es muss mehr getan werden, um den üblen Handel zu beenden. Zurzeit werden jährlich schätzungsweise 100.000 Welpen unter schlimmsten Bedingungen auf Vermehrungsfarmen in Osteuropa gezüchtet. Die Ermittlungen von VIER PFOTEN ergaben, dass die Hunde auf diesen Farmen unter schrecklichen Bedingungen dahinvegetieren. In dunklen, verschmutzten Verschlägen und kleinen Käfigen werden die Hunde gehalten. Viele sind mangelernährt und dehydriert. Immer wieder stieß man auf Mutterhündinnen, die bis zu dreimal pro Jahr Welpen gebären und zu schwach sind, um diese selbst zu versorgen. VIER PFOTEN geht davon aus, dass diese Hunde maximal vier bis fünf Jahre alt und dann getötet oder zu Versuchszwecken an Laboratorien verkauft werden.

Was Helfen könnte

Um all dem irgendwann ein Ende zu setzen, fordert der Verein eine bessere Verbraucherinformation. Potenzielle Welpenkäufer sollen wissen, was für ein Elend sich hinter diesem Geschäft verbirgt. Und welche Gefahren von ihm ausgehen. Außerdem sei eine einheitliche Gesetzgebung, eine allgemeine Registrier- und Kennzeichnungspflicht sowie ein Lizenzsystem für Züchter gefordert. Nur so könne man auf Dauer Schlupflöcher schließen, die Massenzuchtanlagen rechtlich ermöglichen.

Text und Fotos: Gabriele Metz

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Aus „Unser Rassehund“ Heft 7/2014




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